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Profil von Richard Wagner

  • Wagner, Richard
  • Komponist, Dirigent
  • 22.05.1813 - 13.02.1883
  • Todesursache: Herzkrämpfe
Deutschland
Wagner, Richard
Wilhelm Richard Wagner (* 22. Mai 1813 in Leipzig; † 13. Februar 1883 in Venedig) war ein deutscher Komponist, Schriftsteller, Theaterregisseur und Dirigent. Mit seinen durchkomponierten Musikdramen gilt er als einer der bedeutendsten und einflussreichsten Komponisten der Romantik. Richard Wagner setzte für Figuren, Vorgänge und Gefühle charakteristische Leitmotive ein und entwickelte dies im Ring des Nibelungen zu einer systematischen Methode. Das von ihm propagierte Gesamtkunstwerk verbindet unterschiedliche Künste wie Musik, Dichtung und Schauspiel zu einer Einheit. Wagners Neuerungen der Harmonik beeinflussten die Entwicklung der Musik bis in die Moderne. Wagner beschäftigte sich intensiv mit Stoffen der germanischen Mythologie und Sagenwelt wie dem Schwanenritter, der Nibelungensage und dem Heiligen Gral als Teil der Artus-Sage. In Lohengrin, der Ring-Tetralogie und dem Spätwerk Parsifal kreisen seine Gedanken um das Motiv der Erlösung, das bereits im Fliegenden Holländer eine zentrale Rolle spielt. Mit Tristan und Isolde schuf er eine der berühmtesten Liebesopern der Musikgeschichte. Das Werk wird von schwebenden Dissonanzen, gesteigerter Chromatik, häufigen Modulationen und unbestimmten Harmonien geprägt und überschreitet die Grenze zur Polytonalität. Sein unstetes Leben führte ihn in zahlreiche Städte Europas, in denen ein Großteil seines Werkes entstand. Richard Wagner gründete die ausschließlich der Aufführung eigener Werke gewidmeten Festspiele in dem von ihm geplanten Bayreuther Festspielhaus. An den Erlösungsgedanken knüpft die Kritik Friedrich Nietzsches an, der sich nach anfänglicher Begeisterung von Wagner abwandte und in zahlreichen teils polemischen Schriften nicht nur die Musik, sondern auch das übrige Werk einer kritischen Analyse unterzog. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde Wagners Werk zum Staatskult erhoben. Mit seiner Schrift Das Judenthum in der Musik und weiteren Äußerungen gehört Wagner geistesgeschichtlich zu den obsessiven Verfechtern des Antisemitismus und zu den umstrittensten Künstlern der Kulturgeschichte. Ob sich der Antisemitismus in seinen musikdramatischen Werken niedergeschlagen hat, wird bis in die Gegenwart diskutiert. Wagners Wirkung geht weit über den musikalischen Bereich hinaus. Literaten und Maler, Philosophen und Regisseure haben sich ebenso mit ihm befasst wie Germanisten, Historiker, Politik- und Religionswissenschaftler.

Leben

Kindheit und Jugendzeit (1813–1830)

Wilhelm Richard Wagner wurde am 22. Mai 1813 als neuntes Kind des Polizeiaktuars Carl Friedrich Wilhelm Wagner (1770–1813) und der Bäckerstochter Johanna Rosine Wagner (geborene Pätz, 1774–1848) in Leipzig geboren und am 16. August in der Thomaskirche evangelisch getauft. Seine Mutter stammte aus dem etwa 35 km südwestlich von Leipzig gelegenen Weißenfels. Wagners Geburtshaus war der Gasthof Zum Roten und Weißen Löwen auf dem Brühl Nr. 3.Nach der Völkerschlacht bei Leipzig brach eine Flecktyphus-Epidemie in der Stadt aus. Richards Vater infizierte sich und starb am 23. November 1813. Wagners Mutter heiratete am 28. August 1814 den Porträtmaler, Schauspieler und Dichter Ludwig Geyer (1779–1821), der sich nach dem Tod des Vaters der Familie angenommen hatte. Sein Lustspiel Der Bethlehemitische Kindermord war recht erfolgreich und wurde auch von Goethe gelobt. Spekulationen, etwa von Friedrich Nietzsche, wonach Geyer der leibliche Vater Richard Wagners gewesen sei, sind widerlegt worden. In Wagners schriftlichen und mündlichen Äußerungen gibt es keine Belege dafür, dass Richard selbst an seiner Abstammung von Carl Friedrich Wilhelm Wagner gezweifelt hätte. Noch 1814 übersiedelte die Familie nach Dresden. Am 26. Februar 1815 wurde dort Richards Halbschwester Cäcilie Geyer geboren. Seine älteren Geschwister hießen Albert, Gustav, Rosalie, Julius, Luise, Klara, Theresia und Ottilie. Ab Herbst 1817 besuchte Richard – unter dem Namen Richard Geyer – die Schule des Vizehofkantors Carl Friedrich Schmidt und wurde 1820 in die Obhut des Pastors Wetzel nach Possendorf bei Dresden gegeben, wo er erste prägende Eindrücke erhielt: Wetzel las nicht nur aus einer Lebensbeschreibung Mozarts und dem Robinson Crusoe vor, sondern auch aus Zeitungsberichten über den griechischen Freiheitskampf. Um 1820 lernte Carl Maria von Weber, als Hofkapellmeister ein großer Förderer von Richards Bruder Albert, den siebenjährigen Richard kennen, der in seiner Gegenwart auf dem Klavier die Ouvertüre von Webers Oper Der Freischütz übte.Nachdem Geyer am 30. September 1821 in Dresden gestorben war, nahmen mehrere Verwandte das Kind in Betreuung. So kam Richard Mitte Oktober 1821 zum Bruder seines Stiefvaters Karl nach Eisleben und lebte dort für ein Jahr unter dem Namen Richard Geyer.Im Sommer 1822 hielt er sich bei seinem Onkel Adolph Wagner in Leipzig auf, einem Theologen, Übersetzer und Privatgelehrten, der mit Goethe korrespondierte und großen Einfluss auf ihn hatte. Ab dem 2. Dezember 1822 besuchte er die Kreuzschule in Dresden, wo er Lieblingsschüler des Lehrers Julius Sillig wurde. Im Jahr 1826 übersiedelte die Familie nach Prag, nachdem Richards Schwester Rosalie Wagner dort im Dezember 1826 ein Engagement als Theaterschauspielerin erhalten hatte. Richard blieb in Dresden und wurde bei der Familie Böhme untergebracht, besuchte seine Familie aber mehrmals. Wagner versenkte sich in Shakespeare und Homer und wagte sich an einige Übersetzungen. In Dresden entwickelte sich um 1826 seine Liebe zur Musik; Wagner schätzte insbesondere Carl Maria von Weber, der seit 1817 Operndirektor in Dresden war. Ab Weihnachten 1827 war er wieder mit seiner zurückgekehrten Familie in Leipzig. Hier besuchte er vom 21. Januar 1828 bis 1830, jetzt unter dem Namen Richard Wagner, die Nikolaischule sowie die Thomasschule zu Leipzig. In der umfangreichen Bibliothek seines Onkels Adolf Wagner las er neben Shakespeare auch Goethe, Schiller und E. T. A. Hoffmann und schrieb als Schüler sein erstes dramatisches Werk, das Drama Leubald (1826–1828), ein großes Trauerspiel in fünf Akten im Stile Shakespeares. Am 8. April 1827 wurde er in der Dresdner Kreuzkirche konfirmiert und führte danach nur noch den Namen Richard Wagner. Von Herbst 1828 bis Mitte 1829 nahm er bei Christian Gottlieb Müller heimlich Unterricht in Harmonielehre.Mit 16 Jahren erlebte Wagner im April 1829 in Leipzig erstmals Beethovens Oper Fidelio mit Wilhelmine Schröder-Devrient in der Titelrolle. Von nun an stand für ihn fest, dass er Musiker werden wollte. Kurz darauf verfasste er erste Klaviersonaten (in d-Moll und f-Moll) und ein Streichquartett in D-Dur (1829) sowie mehrere Ouvertüren (1830). Im Frühjahr 1830 erwarb er sich durch Korrekturarbeiten für seinen Schwager, den Verleger Friedrich Brockhaus, ein Taschengeld und begann, sich mit der Lektüre politischer Schriften zu beschäftigen. Im Sommer desselben Jahres erhielt er für kurze Zeit Geigenunterricht. Zur Neunten Symphonie Beethovens verfasste er einen Klavierauszug.

Studium in Leipzig (1831–1833)

Ab 1831 studierte Richard Wagner an der Universität Leipzig Musik. Er nahm Kompositionsunterricht beim Thomaskantor Christian Theodor Weinlig, unter dessen Anleitung nach zahlreichen noch dilettantischen Versuchen die ersten professionellen Kompositionen entstanden. Zu ihnen gehört die Klaviersonate in B-Dur (WWV 21), die er Weinlig widmete und die ein Jahr später bei Breitkopf & Härtel erschien. Auch vom Erfolg der ersten Aufführung seiner Konzertouvertüre in d-Moll (WWV 20) und der Musik zu König Enzio (WWV 24) 1832 angespornt, komponierte Wagner weitere Werke, unter anderem die C-Dur-Symphonie (WWV 29), die noch im selben Jahr im Prager Konservatorium uraufgeführt wurde. Angeregt von E. T. A. Hoffmanns Fantasiestücken in Callots Manier und einem Stoff aus Ritterzeit und Ritterwesen, hatte Wagner bereits im Frühjahr 1826 eine Rittertragödie verfasst, die er jedoch verbrannte. Unter dem Titel Die Hochzeit plante er eine Oper, deren Sujet auf dem Buch Ritterzeit und Ritterwesen des Germanisten und Volkskundlers Johann Gustav Gottlieb Büsching beruhte. Er dichtete den Text und begann mit der Komposition der ersten Nummern dieses „Nachtstücks von schwärzester Farbe“, dessen übertriebene Schauerromantik seiner Schwester Rosalie jedoch wenig behagte. Daraufhin vernichtete Wagner den Textentwurf, von der Partitur blieben Teile erhalten (WWV 31). Wagner war kurzzeitig beim Corps Saxonia Leipzig aktiv. Später schrieb er, dass er das Corps vor allem aus Enttäuschung über die apolitische Haltung der Leipziger Landsmannschafter zum Novemberaufstand verlassen habe. Die Corpsstudenten hätten seine „schmerzliche Trauer“ über die polnische Niederlage in der Schlacht bei Ostrołęka (1831) nicht geteilt. Im Zuge der Polenschwärmerei herrschten unter den damaligen Studenten große Sympathien zum Nachbarvolk. Der Schriftsteller und Publizist Heinrich Laube beeindruckte Wagner 1833 mit den Ideen des Jungen Deutschlands, einer revolutionär orientierten literarischen Bewegung des Vormärz, die er später als traditionsfeindlich ablehnte.

Erste Theatererfahrungen (1833–1839)

Mit dem Plan, den in Leipzig nach einer italienischen Vorlage verfassten Text seiner Oper Die Feen zu vertonen, verließ Wagner im Januar 1833 Leipzig und reiste nach Würzburg, um seinen ältesten Bruder Albert zu besuchen, der von Oktober 1830 bis Mai 1841 am Theater als Tenor angestellt war. Am 13. Februar 1833 wurde Richard Wagner als „studiosus musicae aus Leipzig“ im polizeilichen Melderegister der Stadt Würzburg eingetragen. Seine erste Unterkunft in Würzburg nahm er für einige Wochen in der Wohnung seines Bruders in der Unteren Wöllergasse (heute Kolpingstraße). Nachdem sein Bruder ihm zu einem ersten Engagement als Chordirektor und Chorrepetitor am Würzburger Theater verholfen hatte, begann er am 20. Februar 1833 mit der Komposition der Oper Die Feen. Anlässlich einer Aufführung von Der Freischütz (mit seinem Bruder als Max) hatte er das Theater am 18. Februar erstmals besucht. Neben seiner Haupttätigkeit als Chorrepetitor musste er dort auch Schauspieler- und Statistenrollen übernehmen und war als Theaterkomponist tätig. Im Herbst 1833 begann die neue Spielzeit des Theaters, und Wagner bezog am 17. Oktober eine Wohnung in der Lochgasse 34 (das Haus am Ort der heutigen Spiegelstraße 19 wurde 1856 abgebrochen). Wie schon in den Theaterferien von Anfang Mai bis Ende September sorgte seine Schwester Rosalie für seinen Unterhalt. Nachdem er am 6. Januar Die Feen fertiggestellt hatte, verließ er Würzburg am 15. Januar 1834 und kehrte nach Leipzig zurück. Er beendete seine Liebesbeziehungen zu der Choristin Therese Ringelmann und der ebenfalls am Theater tätigen Friederike Galvagni.In Laubes Zeitung für die elegante Welt erschien bald darauf (1834) sein Aufsatz Die Deutsche Oper. Als musikalischer Leiter der Sommersaison in Bad Lauchstädt und des Theaters in Magdeburg lernte er die Schauspielerin Minna Planer kennen und verliebte sich leidenschaftlich in sie. Wagners erste selbstständige musikalische Einstudierung betraf nach seiner Aussage Adolf Müller seniors Musik zu Johann Nestroys Posse Lumpazivagabundus (1833). Wagner arbeitete 1835 an der Oper Das Liebesverbot und leitete die zweite Magdeburger Spielzeit. Am 29. März 1836 fand unter schlechten Bedingungen die Uraufführung der Oper Das Liebesverbot oder Die Novize von Palermo in Magdeburg statt. Über Berlin reiste Wagner nach Königsberg. Am 24. November heiratete er Minna Planer, die dort als Schauspielerin engagiert war, in der Tragheimer Kirche. Am 1. April 1837 wurde er Musikdirektor in Königsberg. Der Theaterbetrieb brach allerdings kurz darauf wegen Bankrotts der Direktion zusammen. Im Juni 1837 erlangte er (engagiert von Theaterdirektor Karl von Holtei) eine Kapellmeisterstelle in Riga, wo er sich zunächst vor seinen preußischen Gläubigern in Sicherheit brachte. Im Juli verließ ihn seine Frau Minna mit einem Kaufmann namens Dietrich; sie kehrte im Oktober aber reumütig wieder zu ihm nach Riga zurück. Hier entstanden der Text und der Beginn der Partitur seiner ersten Erfolgsoper Rienzi. Wagner lernte hier auch Wilhelm Hauffs Märchen vom Gespensterschiff mit dem Holländer-Stoff kennen. Mit dem Theaterdirektor Karl von Holtei plante er ein Singspiel unter dem Titel Die glückliche Bärenfamilie, sperrte sich aber bald gegen den Theaterbetrieb. In dieser Zeit ging die Epoche der Wanderbühnen zu Ende, die zunehmend Stadttheatern mit festem Personal weichen mussten. Bereits 1839 verlor Wagner seine Stellung in Riga wieder. Aus Furcht vor seinen Gläubigern überschritten seine Frau und er heimlich die russisch-ostpreußische Grenze und fuhren auf dem kleinen Segelschiff Thetis nach London. Die stürmisch verlaufende, über vier Wochen dauernde Seefahrt, bei der das Schiff beinahe kenterte, brachte Inspirationen für den Fliegenden Holländer.

Jahre in Paris (1839–1842)

Nach kurzem Aufenthalt in London reiste das Paar über Boulogne-sur-Mer weiter nach Paris, wo Wagner unter schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen den Rienzi vollendete und den Fliegenden Holländer (1841) komponierte. Giacomo Meyerbeer erkannte seine Begabung und half ihm dabei, in der französischen Hauptstadt Fuß zu fassen. Mit den Opern Robert der Teufel und Die Hugenotten war er sehr populär, stand aber noch nicht im Zenit des Ruhms, den er erst mit dem großen Erfolg von Der Prophet erreichen sollte. In einem Essay Wagners über die Hugenotten zeigen sich Spuren ehrlicher Bewunderung. Der Komponist habe „Weltgeschichte“ geschrieben, die „Schranken der Nationalvorurteile“ und „beengenden Grenzen der Sprachidiome“ überwunden und „Taten der Musik“ vollbracht.In der französischen Hauptstadt befanden sich die führenden Theater der Welt. Gelehrig nahm Wagner Anregungen der Grand opéra oder des Melodrams auf. Um sich und seine Frau ernähren zu können, verfasste er Artikel für diverse Journale und erledigte musikalische Lohnarbeiten. Er lernte Heinrich Heine und Franz Liszt kennen. Aus Geldnot musste er den Prosaentwurf zum Fliegenden Holländer unter dem Titel Le vaisseau fantôme für 500 Francs an die Pariser Oper verkaufen, die den Kompositionsauftrag an ihren Hauskomponisten Pierre-Louis Dietsch vergab – was Wagner indes nicht davon abhielt, seine Idee selbst auszuführen und in Musik zu setzen. In Paris setzte er sich mit den politischen Vorgängen in Frankreich auseinander. Während ihn in jungen Jahren die Gräuel der Französischen Revolution „mit aufrichtigem Abscheu gegen ihre Helden“ erfüllt hatten, wie er in Mein Leben schrieb, reagierte er ganz anders, als Lafayette die liberale Opposition in Paris anführte: „Die geschichtliche Welt begann für mich von diesem Tage an; und natürlich nahm ich volle Partei für die Revolution, die sich mir nun unter der Form eines mutigen und siegreichen Volkskampfes, frei von allen den Flecken der schrecklichen Auswüchse der ersten französischen Revolution darstellte.“In diese Zeit fiel auch die Beschäftigung mit Ludwig Feuerbachs religionskritischer Philosophie und den Theorien des französischen Frühsozialisten und frühen Theoretikers des modernen Anarchismus Pierre-Joseph Proudhon. Vor allem die Formulierung Proudhons zur Frage: „Was ist Eigentum?“ beschäftigte Wagner zeitlebens: „Solange Eigentum Privilegien birgt, solange bedeutet privilegiertes – also erpresserisches – Eigentum Diebstahl.“ Diese Einstellung wurde vor allem in seinem Nibelungendrama ein roter Faden.

Dresdner Jahre (1842–1849)

Im Frühjahr 1842 erhielt Wagner von der Dresdner Hofoper die Nachricht, dass man seine Oper Rienzi aufführen wolle. Nachdem es ihm in Paris nicht gelungen war, künstlerische Pläne voranzubringen und dort Erfolg zu haben, verließ er die Stadt am 7. April 1842 und zog nach Dresden um. Auf dem Schreckenstein entstand der erste Tannhäuser-Entwurf. Die Uraufführung des Rienzi fand am 20. Oktober in Dresden statt. Sie war ein großer Erfolg und bedeutete den künstlerischen Durchbruch des jungen Wagner. Bereits 1845 distanzierte er sich von dem Werk, das er in einem Brief an Alwine Frommann seinen „Schreihals“ nannte und das erstmals 2013 in Bayreuth aufgeführt wurde. Wagner konnte in Dresden am 2. Januar 1843 seine Oper Der fliegende Holländer zur Uraufführung bringen. Am 2. Februar wurde er zum Königlich-Sächsischen Kapellmeister an der Dresdner Hofoper ernannt. Wenig später übernahm er zusätzlich die Leitung der Dresdner Liedertafel, in deren Auftrag er das monumentale Chorwerk Das Liebesmahl der Apostel komponierte; die Uraufführung am 6. Juli 1843 in der Frauenkirche im Rahmen des Zweiten Allgemeinen Dresdner Männergesangsfestes war ein Erfolg. Wagner wollte später keine weiteren Oratorien komponieren und führte das Werk nicht mehr auf. Es entstanden Freundschaften mit Anton Pusinelli und August Röckel, mit dem er vor allem Gespräche über Politik führte. Wagner arbeitete 1844 weiter an der Oper Tannhäuser und der Sängerkrieg auf (der) Wartburg. Im Juli 1845 hielt er sich in Marienbad auf und entwarf dort in einer ersten Inhaltsskizze die Handlung zu den Meistersingern von Nürnberg. Nachdem er sich bereits 1823 mit griechischer und römischer Mythologie befasst hatte, beschäftigte er sich nun intensiv mit den deutschen Sagen, vor allem dem Nibelungen- und dem Gralsmythos, und begann mit der Konzeption seiner Oper Lohengrin. In Dresden leitete er am 19. Oktober die Uraufführung seines Tannhäuser. Wagner dirigierte 1846 Beethovens 9. Symphonie – wobei er u. a. den jungen, 1830 geborenen Hans von Bülow tief beeindruckte, und begann im Sommer, während eines dreimonatigen Urlaubs in Graupa nahe Dresden, mit der Komposition des Lohengrin. Am 9. Januar 1848 verstarb Wagners Mutter in Leipzig. Im Frühjahr 1848 besuchte Franz Liszt Wagner erstmals in Dresden, wenig später kam es zu einem Gegenbesuch bei Liszt in Weimar, womit eine lange Freundschaft begann. Um sich Anregungen für eine Theaterreform zu holen, reiste Wagner im Sommer 1848 nach Wien. Anschließend schloss er sich in Dresden den im Zuge der Märzrevolution verstärkten republikanischen Reformbestrebungen in Sachsen an und lernte dabei auch den russischen Anarchisten Michail Bakunin kennen. Wagner bemühte sich um eine Theaterreform am Hoftheater und entwickelte seine Idealvorstellungen über den Stellenwert der Kunst in der Gesellschaft. Er veröffentlichte einige Beiträge in den Volksblättern seines Freundes August Röckel, u. a. die Schrift Die Revolution. Zur gleichen Zeit entstand seine Abhandlung Die Wibelungen, Weltgeschichte aus der Sage, eine Vorstufe zu seinem Hauptwerk Der Ring des Nibelungen. Als der Dresdner Maiaufstand ausbrach, schloss Wagner sich den Aufständischen an. Er half dabei, Waffen zu erhalten, verbreitete Propaganda und bestieg sogar den Turm der Kreuzkirche, um von dort aus die Revolutionäre mit Signalen zu warnen. Im weiteren Verlauf wurden Bakunin und August Röckel verhaftet und zum Tode verurteilt; die Urteile wurden später in Gefängnisstrafen umgewandelt. Während der nächsten Jahre komponierte Wagner nur noch wenig und konzentrierte sich auf Manifeste, Aufsätze und dramatische Texte. In seinen Abhandlungen verlangte er von Künstlern, sich dem Widerstand anzuschließen und sah im Theater der griechischen Antike ein Modell dafür, die Künste im Sinne eines Gesamtkunstwerks zu vereinen.

Zürcher Jahre (1849–1858)

Wagner floh mit falschem Pass zunächst in die Schweiz und blieb nach einem kurzen Aufenthalt in Paris bis 1858 dauerhaft in Zürich im Exil. Dort entstanden in den Folgejahren die Zürcher Kunstschriften, unter anderen Die Kunst und die Revolution, Das Kunstwerk der Zukunft und seine große musiktheoretische Schrift Oper und Drama, sowie die Hetzschrift Das Judentum in der Musik. In einem regen Briefaustausch mit seinen Freunden Franz Liszt, August Röckel und Theodor Uhlig entwickelte und erklärte er seine zukünftigen künstlerischen Ambitionen. Mit seinem neuen Opernentwurf Wieland der Schmied versuchte Wagner in Paris erneut sein Glück, allerdings vergeblich. Er lernte die junge Jessie Laussot kennen, die in unglücklicher Ehe gebunden war, und folgte ihr nach Bordeaux, in der Absicht, sein bisheriges Leben hinter sich zu lassen und mit ihr nach Griechenland zu fliehen. Nach einigen Wochen beendete er die Affäre und kehrte zu seiner Frau nach Zürich zurück. In Weimar fand am 28. August 1850 in Abwesenheit Wagners die Uraufführung von Lohengrin unter der Leitung von Franz Liszt statt. Wagner lernte 1852 Otto und Mathilde Wesendonck kennen und begann nach einer Kur in der Wasserheilanstalt Albisbrunn, südlich von Zürich gelegen, mit der Dichtung zum Ring des Nibelungen. Er lernte Georg Herwegh kennen, einen Weggenossen von Karl Marx, der ein reger Diskussionspartner und Wanderfreund wurde. Wagner unternahm ausgedehnte Bergtouren, unter anderem eine mehrwöchige Fußwanderung nach Italien. In der Einsamkeit der Hochgebirgslandschaften und erhabenen Gletscher sah er die idealen Szenenbilder für seinen Ring. Am 16. Februar 1853 las Wagner erstmals öffentlich seine komplette Ring-Dichtung an vier Abenden im Hotel Baur au Lac in Zürich. Im Mai 1853 gab Wagner enthusiastisch aufgenommene Konzerte mit Ausschnitten aus eigenen Werken in Zürich. Im Juli besuchte ihn Liszt; bei dieser Gelegenheit kam es zum Bruderschaftstrunk mit Liszt und Herwegh. Wagner reiste im September erneut nach Italien, wo ihm in einem Hotel in La Spezia im Halbschlaf die Ur-Idee zum musikalischen Beginn des Rings des Nibelungen kam, und konzipierte das Rheingold-Vorspiel. Am 10. Oktober war Wagner bei Liszt in Paris und sah zum ersten Mal dessen Tochter Cosima, die zu diesem Zeitpunkt 15 Jahre alt war. Im Herbst 1854 vollendete Wagner die Rheingold-Komposition, an der er seit Oktober 1851 mit zahlreichen Unterbrechungen gearbeitet hatte. Richard Wagner las 1854 auf Empfehlung von Herwegh Schopenhauers Hauptwerk Die Welt als Wille und Vorstellung. Im selben Jahr begann er mit der Konzeption der Oper Tristan und Isolde, die grundlegend von der Philosophie Schopenhauers beeinflusst ist, wenn sie auch dessen Pessimismus nicht folgt. Wie Dieter Borchmeyer ausführt, kann Isoldes Liebestod nicht mit dem Erlöschen des Begehrens im Nirwana gleichgesetzt werden. Wagner selbst distanzierte sich in einem Brief am Mathilde Wesendonck vom 1. Dezember 1858 sowie im Fragment eines nicht abgeschickten Briefs an Schopenhauer von dieser Vorstellung und beschrieb die Liebe als einen Weg des Heils, der über den individuellen Willenstrieb hinausführe.1855 gab Wagner mehrere Konzerte in London, 1856 richtete er ein Gnadengesuch an den sächsischen König. Zwischenzeitlich lebte er auf dem sogenannten „Grünen Hügel“ neben der Villa Wesendonck in Zürich, arbeitete an Siegfried und später an Tristan und Isolde und vertonte – als musikalische Studien zum Tristan – fünf Gedichte von Mathilde Wesendonck (Wesendonck-Lieder). Am 18. August 1857 wurden Hans von Bülow und Cosima in Berlin getraut und unternahmen ihre Hochzeitsreise zu Wagner nach Zürich. Wagners Affäre mit Mathilde Wesendonck spitzte sich 1858 zu: Nachdem Minna die Beziehung ihres Mannes zur verheirateten Mathilde Wesendonck aufgedeckt und einen Eklat provoziert hatte, trennte sich Wagner von seiner Frau. Er reiste nach Venedig, wo er den zweiten Akt des Tristan komponierte. Seine Frau übersiedelte nach Dresden.

Wanderjahre (1859–1865)

Im Frühjahr 1859 musste Wagner aus politischen Gründen das damals unter österreichischer Verwaltung stehende Venedig verlassen. Er begab sich nach Luzern und vollendete im Hotel Schweizerhof Luzern den Tristan. Danach ging er wieder nach Paris, wohin Minna ihm nachfolgte. Fürstin Pauline von Metternich und Marie von Kalergis unterstützten Wagner und ermöglichten ihm Konzerte in Paris und Brüssel. Im August 1860 konnte er nach einer Teilamnestie durch den sächsischen König wieder deutschen Boden betreten. Wagner studierte 1861 an der Pariser Oper, Salle Le Peletier, eine neue, französische Fassung seines Tannhäuser ein, für die er die erste Szene neu komponiert und ein Ballett eingefügt hatte. Trotzdem entsprach das Ergebnis nicht den vorgefassten Erwartungen einiger Pariser Publikumsclubs, so dass es zum Tannhäuser-Skandal kam. Nach der dritten durch Zwischenrufe gestörten Aufführung zog Wagner sein Werk zurück. Er verließ Paris und hielt sich in Karlsruhe, Venedig und Wien auf, kehrte dann einige Wochen später wieder nach Paris zurück, um im Auftrag des Musikverlegers Franz Schott aus Mainz mit seiner neuen Arbeit Die Meistersinger von Nürnberg zu beginnen. Anfang 1862 siedelte er nach Biebrich um, um die Musik zu den Meistersingern zu komponieren. Ein neues Zusammentreffen mit Minna Anfang 1862 in Biebrich führte zur endgültigen Trennung des Ehepaars. Im gleichen Jahr erließ der König von Sachsen eine vollständige Amnestie, worauf Wagners Freund und Gönner Wendelin Weißheimer ihm erstmals wieder ein Konzert in Leipzig, seiner Heimatstadt, ermöglichte. In Weimar sah Wagner Franz Liszt wieder. Im Juli traf er sich mit den Bülows, danach blieb er in Wien und wohnte einige Monate in Penzing, um die geplante Uraufführung seines Tristan zu begleiten, zu der es aber wegen zahlreicher Schwierigkeiten nicht kam. Im Wiener Musikverein gab er im Beisein der Kaiserin Elisabeth einige umjubelte Konzerte, erstmals mit Ausschnitten aus seinem Ring. Im Jahr 1863 gab Wagner Konzerte in Sankt Petersburg, Moskau, Budapest, Prag und Karlsruhe, die künstlerisch erfolgreich waren, jedoch nicht die erwarteten Einnahmen brachten. Am 28. November bekannten sich Wagner und Cosima in Berlin gegenseitig ihre Liebe. Im Frühjahr 1864 flüchtete Wagner vor Steuerfahndung und Gläubigern aus Wien und besuchte Eliza Wille in Mariafeld bei Zürich. Eine Rettung aus größter finanzieller Not und persönlicher Verzweiflung ergab sich für Wagner indirekt dadurch, dass er am 4. Mai 1864 von König Ludwig II. in München empfangen wurde, der wenige Wochen zuvor im Alter von 18 Jahren die Regentschaft von Maximilian übernommen hatte. Wagner war nicht nur der Lieblingskomponist des Königs, sondern wurde auch sein „väterlicher“ Freund und Berater. Der König blieb bis zum Tode Wagners dessen Mäzen. Er widmete ihm das „Märchenschloss“ Neuschwanstein, dessen Bilder auf Lohengrin und Parsifal beruhen, während die Venusgrotte des Schlosses Linderhof von Wagners Tannhäuser inspiriert wurde. In dieser exponierten Stellung nahm Wagner Einfluss auf politische Entscheidungen des jungen Königs und verfasste verschiedene politische Schriften. Bereits im Dezember 1864 leitete Wagner im Münchner Nationaltheater eine von Ludwig II. geförderte Neuinszenierung des Fliegenden Holländer. Nachdem eine Aufführung in anderen Städten gescheitert war, wurde dort am 10. Juni 1865 Tristan und Isolde uraufgeführt. Im weiteren Verlauf kam es zwischen Wagner und seinem Förderer zu Konflikten, da der König als Inhaber der Rechte darauf bestand, Das Rheingold und Die Walküre gegen den Wunsch des Komponisten im Nationaltheater uraufführen zu lassen.Im Juni und Juli des gleichen Jahres weilte Cosima bei Wagner im Haus Pellet in Kempfenhausen am Starnberger See, wo sie ihre Liebesbeziehung besiegelten. Der König stellte ihm in der Brienner Straße in München als Wohnsitz ein Haus zur Verfügung. Am 10. April 1865 wurde in München Isolde geboren, das erste gemeinsame Kind von Cosima (noch eine verheiratete von Bülow) und Richard Wagner (siehe Familie Richard Wagners). Am 17. Juli begann Wagner seine Autobiographie Mein Leben zu diktieren. Wegen heftiger Proteste der Bevölkerung und der Regierung, die Wagner und Ludwig II. Verschwendungssucht vorhielten, verließ Wagner Bayern im Dezember in Richtung Schweiz. Minna Wagner starb am 25. Januar 1866 in Dresden.

Asyl in Tribschen (1866–1871)

Am 30. März 1866 erreichten Richard und Cosima Wagner nach einer Reise durch mehrere Schweizer Städte den Vierwaldstättersee und entdeckten das idyllische Haus Tribschen auf einer Landzunge bei Luzern. Einige Tage später mietete Wagner das Haus an und konnte es bereits am 15. April beziehen. Erneut übernahm der Förderer König Ludwig die Kosten und überwies die Jahresmiete aus München. Wagner nahm seine unterbrochene Kompositionsarbeit an den Meistersingern wieder auf und konnte das Werk am 24. Oktober 1867 vollenden. Am 22. Mai erhielt er überraschenden Besuch von König Ludwig und dessen Flügeladjutanten Paul von Thurn und Taxis. Angesichts des drohenden Deutsch-Deutschen Krieges wollte Ludwig als König abdanken und sich in die Nähe Richard Wagners zurückziehen. Mit Hilfe des Adjutanten, der anschließend mehrfach inkognito nach Tribschen reiste, konnte der König jedoch überzeugt werden, nach München zurückzukehren und von seiner Rücktrittsabsicht Abstand zu nehmen. Wenige Monate später zog Cosima von Bülow mit ihren Kindern Daniela und Blandine und der Wagner-Tochter Isolde bei ihm ein. Richards und Cosimas gemeinsames zweites Kind Eva wurde dort am 17. Februar 1867 geboren. Die Uraufführung der Meistersinger von Nürnberg fand am 21. Juni 1868 in München am Hoftheater statt. Am 8. November kam es in Leipzig zur ersten Begegnung mit Nietzsche. Ab dem 16. November lebte Cosima endgültig bei Wagner und begann am 1. Januar 1869 ihr Tagebuch zu schreiben. Friedrich Nietzsche, seit kurzem Professor in Basel, kam nun regelmäßig (insgesamt 23 mal) als Gast nach Tribschen und war auch zugegen, als am 6. Juni 1869 Siegfried, Cosimas und Richards drittes Kind, geboren wurde. Am 22. September fand auf Veranlassung König Ludwigs, jedoch gegen den Willen Wagners, in München die Uraufführung von Das Rheingold statt. Auch die Uraufführung der Walküre erfolgte ohne Wagners Zustimmung, der den Ring nur vollständig aufführen wollte, am 26. Juni 1870 in München. Am 18. Juli 1870 wurde die Ehe Cosimas und Hans von Bülows geschieden, am 25. August wurden Cosima und Richard Wagner in der protestantischen Kirche von Luzern getraut. Am 25. Dezember 1870 fand die Uraufführung des Siegfried-Idylls als Geburtstagsgeschenk für Cosima auf der Treppe in Wagners Haus in Tribschen statt. Wagner wählte 1871 Bayreuth als Festspielort und kündigte erstmals Festspiele zur Aufführung des Ring des Nibelungen an. Im April reiste er mit Cosima über Bayreuth nach Berlin, wo sie von Otto von Bismarck empfangen wurden. Eine finanzielle Unterstützung der geplanten Festspiele durch das Deutsche Kaiserreich konnte Wagner nicht erreichen. Zur Finanzierung der Festspiele wurden ab 1872 Wagnervereine gegründet und Patronatsscheine verkauft; eine wesentliche Rolle spielte dabei Marie Gräfin Schleinitz, die Wagner 1863 kennengelernt hatte und ihn zeitlebens enthusiastisch förderte.

Die Bayreuther Jahre (1872–1881)

Wagner verließ im Frühjahr 1872 mit Cosima und den Kindern Tribschen, um nach Bayreuth zu ziehen, Ende April zunächst ins Hotel Fantaisie neben dem gleichnamigen Schloss in Donndorf, etwa sieben Kilometer westlich von Bayreuth, dann am 24. September in eine Stadtwohnung (Dammallee 7). Am 22. Mai konnte er den Grundstein für sein Festspielhaus legen. Er war 1873 oft auf Konzertreisen, um Geld für seine Festspielstiftung einzuspielen. Bruckner und Nietzsche waren zu Besuch in Bayreuth. Am 2. August 1873 fand das Richtfest des Festspielhauses statt. In diesem Jahr hatte Friedrich Nietzsche seine ersten schweren Krankheitsanfälle. Auch Wagner war von den vielfältigen Belastungen seiner Arbeit zunehmend angegriffen und hatte in den letzten zehn Lebensjahren unter regelmäßigen Herzanfällen zu leiden. Im Dezember 1873 wurde ihm der Königliche Maximiliansorden für Kunst und Wissenschaft verliehen, der ihm bereits 1864 zugedacht war und den er damals aus politisch-persönlichen Überlegungen nicht angenommen hatte. Am 28. April 1874 bezogen Cosima und Richard Wagner das Haus Wahnfried. Die Partitur des Ring des Nibelungen wurde am 21. November 1874 beendet und König Ludwig gewidmet, der – nach längerem Zögern – mit einer zusätzlichen finanziellen Unterstützung das Festspielunternehmen rettete, als Wagners eigene Mittel und eingehende Spenden zu versiegen drohten. Das Festspielhaus war 1875 so weit fertiggestellt, dass bereits die Proben beginnen konnten. Im Bayreuther Festspielhaus hatte Wagner ein „unsichtbares Orchester“ anlegen lassen, indem der Orchestergraben mit einer Abdeckung zum Publikum hin abgeschirmt wurde („mystischer Abgrund“). Dadurch konnte die Konzentration der Zuschauer einzig auf die dramatische Handlung und die akustische Wahrnehmung der Musik gerichtet werden, ohne dass deren Tonerzeugung sichtbar wurde. Wie sich zeigte, war durch diese Einrichtung aber auch eine besondere Klangqualität erreicht worden. Die einzigartige Akustik des Hauses beruht außerdem darauf, dass der Raum ein Holzbau ist und der Zuschauerraum keine Logen an den Seiten hat. Die Sitze sind ungepolstert, so dass weniger Schall geschluckt wird. Die Idee zu dieser Anlage des Festspielhauses geht zurück auf das Theater in Riga, wo Wagner in einer Art Scheune dirigieren musste, die durch eine Bretterwand unterteilt war, von deren Akustik er jedoch begeistert war. In Anwesenheit Kaiser Wilhelms I. begannen am 13. August 1876 die ersten Bayreuther Festspiele mit der vollständigen Aufführung des Ring des Nibelungen. Im September reiste Wagner nach Italien und hatte eine letzte Begegnung mit Nietzsche in Sorrent. In den Jahren 1877 bis 1879 arbeitete er in seinem Haus Wahnfried am Parsifal. Während eines London-Aufenthalts wurde er von Königin Victoria von Großbritannien empfangen. Am 31. Dezember 1879 reiste Wagner erneut nach Italien und hielt sich im Folgejahr überwiegend in Neapel, Ravello, Siena und Venedig auf. Dort entstanden auch seine sogenannten „Regenerationsschriften“, die in den von Hans von Wolzogen herausgegebenen Bayreuther Blättern veröffentlicht wurden. Nachdem er mit seiner Ring-Aufführung bei den ersten Festspielen 1876 ein finanzielles Desaster erlebt hatte, trug sich Wagner eine Zeitlang mit Plänen, in die Vereinigten Staaten auszuwandern und verband dies mit unrealistischen wirtschaftlichen Erwartungen. Bereits 1854 und 1859 hatte er von einem Interesse aus den Vereinigten Staaten erfahren und Angebote für eine Amerikareise erhalten. Seinem Zahnarzt Newell Sill Jenkins berichtete er am 8. Februar 1880, er halte es nicht für unmöglich, mit seiner ganzen Familie in die Vereinigten Staaten auszuwandern. Er überlegte, nach Minnesota zu ziehen und den Amerikanern den Parsifal zu widmen. Wagner besprach seine Pläne mit Jenkins, der sich im Verbund mit anderen Freunden bemühte, ihm diese Pläne auszureden.Im November 1881 reiste er, gesundheitlich angeschlagen, wegen des günstigeren Klimas mit seiner Familie nach Sizilien und vollendete am 13. Januar 1882 in Palermo den Parsifal, der bei den zweiten Bayreuther Festspielen am 26. Juli 1882 in Bayreuth uraufgeführt wurde. Zuvor hatte es in München eine Privataufführung des Vorspiels für König Ludwig II. gegeben; es war ihre letzte Begegnung.

Tod in Venedig 1883

Am 16. September 1882 reiste Wagner mit seiner Familie abermals nach Venedig, wo er auch mehrere Wochen mit Franz Liszt zusammen war. Am 25. Dezember gab er als Geburtstagsgeschenk für Cosima letztmals ein gemeinsames Konzert im Teatro La Fenice; er dirigierte seine Jugendsymphonie in C-Dur. Am 13. Februar 1883 hielt er sich in dem von ihm und seiner Familie bewohnten Seitenflügel des Palazzo Vendramin-Calergi auf. Gegen 15 Uhr wartete die Familie bei Tisch auf Wagner, der trotz Herzkrämpfen in seinem Arbeitszimmer an einem Aufsatz Über das Weibliche im Menschlichen schrieb. Das Hausmädchen fand ihn zusammengesunken an seinem Schreibtisch über den Worten „Gleichwohl geht der Prozeß der Emanzipation des Weibes nur unter ekstatischen Zuckungen vor sich. Liebe – Tragik“. Er sagte noch: „Meine Frau und der Doktor“, bevor er in Bewusstlosigkeit fiel und gegen 15:30 Uhr in Cosimas Armen im Alter von 69 Jahren starb. Der Bildhauer Augusto Benvenuti nahm am 14. Februar die Totenmaske ab. Am 16. Februar wurde Wagners einbalsamierter Leichnam, begleitet von seiner Familie und einigen Freunden, in zwei Sonderwagen, die dem Zug aus Venedig angehängt waren, über München nach Bayreuth überführt. Nach der Ankunft am Sonntag, dem 18. Februar, in Bayreuth wurde der Sarg unter den Klängen des Trauermarsches aus Götterdämmerung unter der Anteilnahme der Bayreuther Bevölkerung vom Bahnhof zur Villa Wahnfried geleitet und in der vorbereiteten Gruft im Garten beigesetzt.

Werk

Musik

Wagners große Opern gehören zu den Höhepunkten romantischer Musik und beeinflussten viele Zeitgenossen und spätere Komponisten erheblich. Für sie schrieb er nicht nur die Musik, sondern auch die Libretti und Regieanweisungen. Vor allem der Tristan gilt vielen als Ausgangspunkt der modernen Musik. Wie bei Franz Liszt tritt die Melodik gegenüber der Harmonik zurück, die weit über den Stand hinausgeführt wird, auf dem Johannes Brahms noch 1892 in seinen späten Klavierstücken op. 119 blieb. Sie ist von schwebenden Dissonanzen und charakteristischen Vierklängen, gesteigerter Chromatik und häufigen Modulationen bis zur Polytonalität geprägt. Der Tristan-Akkord wurde vermutlich häufiger analysiert und interpretiert als jede andere Neuerung der Harmonik. Mehr als 100 Jahre nach der Komposition des Werkes war noch von der Krise der modernen Harmonielehre die Rede. Es wäre allerdings überzogen, die Tristan-Harmonik zum Ausgangspunkt der atonalen Musik zu machen, waren doch Chromatik und Enharmonik zum Zeitpunkt der Komposition bereits etabliert. Gerade in den schwelgerischen Momenten der Handlung verzichtete Wagner weitgehend auf die sprichwörtlich gewordene Tristan-Chromatik und -Enharmonik.Es gab zudem zahlreiche Komponisten, die schon vor Wagner harmonische Neuerungen eingeführt hatten. Dies gilt vor allem für Frédéric Chopin, der mit gewagter Chromatik in einigen Préludes, Nocturnes und anderen Werken seine Zeitgenossen überraschte. Einige Musiker beklagten die unvorbereiteten Wendungen und jähen Übergänge in eine unerwartete Tonart während einer Phrase. Chopin vermied es bisweilen, in eine eindeutig bestimmte Tonart überzugehen und setzte die Akkorde gegen die Konventionen der Funktionsharmonik ein. Franz Liszt strebte schon in frühen Jahren harmonische Neuerungen an. So zeigen die 1837 bis 1839 entstandenen Stücke aus dem zweiten Band der Années de pèlerinage eine Tendenz zur schrittweisen Auflösung der Funktionsharmonik.In den Werken Franz Schuberts sind variationsreiche und schweifende Modulationen ebenfalls zu erkennen. So führt die späte Klaviersonate in B-Dur (D 960) im ersten Satz ins ferne eses-Moll. Um diese Tonart zu vereinfachen, macht Schubert aus ihr d-Moll und aus dem folgenden Ceses-Dur wieder B-Dur, womit die Grundtonart am Anfang der Reprise erreicht wird. Schubert gelangt in der Regel rechtzeitig zur Ausgangstonart, während Wagner die Leittöne nicht oder nur an bestimmten Stellen auflöst oder in andere leittönige Akkorde überführt, die selbst wiederum zu neuen leittönigen Verbindungen führen.Gattungsgeschichtlich liegt Wagners Bedeutung in der Weiterentwicklung der sogenannten Nummernoper zum Musikdrama. Während etwa Webers Freischütz eine Abfolge einzelner Nummern (Arien, Duette, Chöre etc.) ist, die durch gesprochene Rezitative miteinander verbunden werden, herrscht bei Wagner – vor allem in seinen reifen Werken – die sogenannte unendliche Melodie, die eng mit seiner Leitmotivtechnik verbunden ist. Das Orchester beginnt am Anfang eines Aktes zu spielen und hört am Aktende auf; gesprochen wird nicht. Es gibt keine einzelnen Gesangsstücke mehr, sondern gesungene Erzählungen, Monologe und Dialoge. Sie stehen nicht isoliert neben- bzw. nacheinander, sondern werden durch die Orchestermusik verwoben. =

Leitmotivtechnik und Programmmusik

= Mit den Leitmotiven ordnet Wagner einer Figur, einem Gegenstand oder einem Gefühl wie Liebe, Wut oder Sehnsucht ein bestimmtes musikalisches Motiv zu, das immer dann zu hören ist, wenn die Person, der Gegenstand oder das Gefühl auftaucht. Vorformen des Leitmotivs sind mit der Gattung Oper selbst verbunden. Seit dem späten 18. Jahrhundert finden sie sich in den Werken französischer Komponisten wie André-Ernest-Modeste Grétry und Étienne-Nicolas Méhul, dann in der deutschen romantischen Oper etwa von Louis Spohr, E. T. A. Hoffmann und Carl Maria von Weber sowie in anderen Gattungen wie dem Melodram. Wagner konnte an Hector Berlioz anknüpfen, der wie Hoffmann eine musikalisch-literarische Doppelbegabung war. In seiner autobiographisch kodierten Symphonie Fantastique hatte er sich von tradierten Formen abgewandt und die Gesamtanlage als Charaktervariation eines Hauptthemas konzipiert, womit auch die Auflösung der klassischen Sonatenhauptsatzform im Kopfsatz verbunden war. Die sogenannte „idée fixe“, ein Vorgänger des Leitmotivs, erscheint als jeweils abgewandeltes Kernthema (une pensée mus.) in den fünf Sätzen der Sinfonie und bezieht sich auf unterschiedliche Lebenssituationen mit der Geliebten. Die damit verbundenen außermusikalischen Inhalte spielen in der Programmmusik der von Liszt geführten Neudeutschen Schule eine herausragende Rolle. Die Vertreter dieser Schule beriefen sich auch auf Hegel, der in seinen Vorlesungen über die Ästhetik für die Moderne ein „Ende der Kunst“ diagnostiziert hatte. Sie setzten sich für Reformen des Stils und der Gattungen ein, um die Musik den Bedingungen der Zeit anzupassen und dabei ideell-inhaltliche Aspekte gegenüber formalen Fragen zu bevorzugen.Wagner griff somit auf das zurück, was bereits üblich war und entwickelte es zu einer systematischen Methode, die er begleitend in seiner Schrift Oper und Drama erklärte. In Bezug auf die Handlung sprach er nicht von „Leit-“, sondern von „Haupt-“ oder „Grundmotiven“, während bezüglich der Musik von „ahnungs- oder erinnerungsvollen melodischen Momenten“, „thematischen Motiven“, „Grundthemen“ oder „Gefühlswegweisern“ die Rede war.Sind die Leitmotive im Lohengrin noch an bestimmte Perioden gebunden, bestimmen sie im Ring des Nibelungen als dichtes Motivgewebe das gesamte Werk und wirken formtragend. Ein Grund für diese Technik war der Umfang der Tetralogie selbst, den Wagner erst im Laufe der Zeit erkannte und der zu einer immer komplexeren epischen Verzweigung führte. Hatte er zunächst nur Siegfrieds Tod komponieren wollen, merkte er bald, dass er in der Historie bis zum Rheingold zurückgehen musste. Die Tetralogie wurde auf diese Weise zu einer komplexen Einheit verbunden, die aus voneinander abgeleiteten Motiven besteht, während parallel dazu die sinfonischen Möglichkeiten der Musik zurückgenommen wurden: Die dramatische Entwicklung der Motive, die sich in der Sinfonik Beethovens findet, ist den wiedererkennbaren Motivgestalten Wagners versagt.Die einzelnen Motivnamen stammen nicht von Wagner, sondern wurden in der Analyseliteratur eingeführt, die Hans von Wolzogen 1876 mit seinem Thematischen Leitfaden zur Uraufführung des Ring begründet hatte. Mit dieser Literatur wurde Wagners Musik im weiteren Verlauf popularisiert und gegen Verständnisschwierigkeiten verteidigt, so dass sie auch für Laien einfacher erfassbar war. In der Folge entwickelten sich die Leitmotive zu einem Markenzeiten des Komponisten. Die damit verbundene klischeehafte und vereinfachende Reduktion der innovativen Musik auf diese Technik ergab sich somit aus der Rezeptionsgeschichte. Das gilt auch für den Begriff „Leitmotiv“ selbst, der 1860 von August Wilhelm Ambros eingeführt worden war und sich auf Wagner sowie Liszt bezog. =

Unendliche Melodie

= Wagner führte den Begriff „unendliche Melodie“ in der Broschüre Zukunftsmusik ein, um seine durchkomponierten Werke von traditionellen Nummernopern abzugrenzen. Orientiert sich dort der melodische Aufbau an den jeweiligen Erfordernissen der Arien und Szenen und muss häufig unterbrochen werden, entwirft Wagner eine durchgehende melodische Entwicklung selbst über die einzelnen Aufzüge hinweg. So verändert sich auch die musikalische Syntax, die zu einer freieren Gliederung übergeht und nicht länger an den regelmäßigen Phrasenbau der Vokalmusik gebunden ist. Für Arnold Schönberg war dieses Konzept ein Vorgänger der von ihm propagierten „musikalischen Prosa“.Wie Diether de la Motte ausführt, kann Wagners unendliche Melodie als „anonym gewordene Melodik“ betrachtet werden, während sich in der Harmonik seine Phantasie entfaltete und er einen unverkennbaren Personalstil entwickelte, dessen Übernahme Wagnerepigonen hervorbringen musste. Die Phantasie ufert in Wagners reifen Werken nicht aus, sondern wird durch die jeweilige dramatische Situation des Geschehens in Grenzen gehalten.

Schriften

Neben seinen Musikdramen hinterließ Richard Wagner ein umfangreiches schriftstellerisches Œuvre. Es war ihm wichtig, über seine Werke zu schreiben und sie in eine Perspektive zu stellen, die seiner Kunst- und Weltanschauung entsprach. In etlichen Briefen und Äußerungen wies er darauf hin, man solle seine Schriften lesen, um ihn ganz verstehen zu können. Mit über 200 Veröffentlichungen auf etwa 4000 Druckseiten gehört Wagner zu den schreibfreudigsten Komponisten der Geschichte.Bereits 1844 plante er, die während seiner Zeit in Paris geschriebenen Novellen und Aufsätze in einer Sammelausgabe zu veröffentlichten. Dabei verwies er auf die „eigentümliche Wichtigkeit“ der „Plänkeleien“, in denen er sich über die „ganze, in jene Zeit fallende künstlerische Konfirmirung“ geäußert habe. Seitdem ließ ihn diese Idee nicht mehr los, die er allerdings erst sehr spät verwirklichen konnte: Zwischen 1871 bis 1873 erschien die neunbändige Ausgabe der Gesammelten Schriften und Dichtungen. Ein 1883 posthum herausgegebener Nachtragsband versammelte die zwischen 1873 und 1883 veröffentlichten Beiträge. Da er seinen Weg als Künstler dokumentieren wollte, kam es immer wieder zu unterschiedlichen Plänen und Konzeptionen. Wie Cosima Wagner am 14. Oktober 1869 in ihrem Tagebuch festhielt, war ihm auch zu diesem Zeitpunkt noch unklar, wie er seine Schriften herausgeben und was er davon weglassen wollte. Er sei kein Schriftsteller im eigentlichen Sinne des Wortes.Die späte Abhandlung Religion und Kunst (mit dem Nachtrag: Was nützt diese Erkenntnis?) wurde 1880 in den Bayreuther Blättern veröffentlicht und steht am Anfang der sogenannten Regenerationsschriften. In dieser Schrift sowie in den ausdrücklich darauf bezogenen Texten Erkenne dich selbst (1881) und Heldentum und Christentum (1881) entwickelte Wagner die Grundlage einer Ideologie, die nach seinem Tod von Autoren um Hans von Wolzogen systematisiert wurde. Inwieweit es bei der Rezeption durch den „Bayreuther Kreis“ zu Verfälschungen kam, wird bis in die Gegenwart diskutiert. In Religion und Kunst ging Wagner von dem Gedanken aus, dass es nun der Kunst vorbehalten sei, den Kern der Religion zu retten. Sie erreiche dies, „indem sie die mythischen Symbole“, welche die Religion „als wahr geglaubt wissen will, [...] ihrem sinnbildlichen Werte nach“ erfasse. Auf diese Weise werde ihre „verborgene tiefe Wahrheit“ sichtbar. Wagner griff Positionen seiner an Schopenhauer angelehnten Beethoven-Schrift auf und folgerte, dass die „der Erscheinungswelt gänzlich abgewendete“ Musik dies leisten könne. Sie spreche das Gemüt an und sei mit nichts Realem vergleichbar.Den Abschluss bildet der Aufsatz Über das Weibliche im Menschlichen, an dem er noch kurz vor seinem Tode schrieb. In ihm ging er von der ethischen Notwendigkeit der Emanzipation der Frau ebenso aus wie von der geistigen Liebe zwischen den Geschlechtern. Da Wagner noch während des Schreibprozesses starb, wurde der Essay nicht abgeschlossen, sondern nach einem ausformulierten Text mit zwei kurzen Schlagworten „Liebe – Tragik“ beendet. Wie in vorhergehenden Aufsätzen bezieht sich Wagner auf die Rassentheorie von Arthur de Gobineau und die Evolutionstheorie von Charles Darwin. Ein Schwerpunkt seiner Gedanken bezieht sich auf die Ehe, die nicht der Konventionsheirat entspricht, sondern von Gefühlen getragen sein soll. Laut Wagner „ist es die Ehe, welche den Menschen so weit über die Tierwelt zur höchsten Entwicklung seiner moralischen Fähigkeiten erhebt“. Im Gegensatz sieht er die Konventionsheirat, somit den „ohne Liebe geschlossenen Ehebund“, als „Mißbrauch der Ehe zu gänzlich außer ihr liegenden Zwecken“ an. Würde der Mensch die Ehe missbrauchen, sieht Wagner als logische Konsequenz daraus eine Abstufung „bis unter die Tierwelt“. Um diesen Standpunkt zu verdeutlichen geht er in einem der folgenden Abschnitte genauer auf den Unterschied des Verhältnisses von Männlichem und Weiblichem zwischen der Tier- und der Menschenwelt ein. In der monogamischen Beziehung ist es laut Wagner, „wo das Weib selbst über das natürliche Gattungsgesetz erhoben wird, welchem es andererseits nach der Zunahme selbst der weitesten Gesetzgeber so stark unterworfen bleibt“.

Themen

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Erlösung

= Wagners reife Werke kreisen um das Motiv der Erlösung. Der Ausgangspunkt des dramatischen Konflikts liegt im Kontrast zweier Welten, die sich feindlich gegenüberstehen. So trifft im Tannhäuser die sinnliche Sphäre des Venusberges auf die vergeistigte der Wartburg-Gesellschaft, im Fliegenden Holländer stehen sich die unheimlich-dämonische und die real-bürgerliche Welt gegenüber, im Lohengrin und Parsifal wiederum heidnische Magie und Christentum. Die Ring-Tetralogie zeigt einen Gegensatz von Licht- und Schwarzalben, während in den Meistersingern die handwerkliche Genauigkeit Beckmessers auf die genialische Natur Walther von Stolzings trifft.Laut Peter Steinacker führte der Säkularisierungsprozess im Kontext der Modernisierung zu neuen, teils synkretistischen Formen der Religion, reduzierte sich auf Ethik oder löste sich in eine vermeintlich säkulare Anthropologie auf. Wie in der Politik gab es auch in der Kunst eine Tendenz, auf Quellen zurückzugreifen, die als nationale Grundschriften verstanden wurden, um sich gegenüber den europäischen Großmächten behaupten zu können. So spielten Märchen, Sagen, nordische Überlieferungen, mittelalterliche Epen und eben auch das Nibelungenlied eine wichtige Rolle. In seinen Musikdramen verknüpfte Wagner diese Literatur auch mit Stoffen aus der Antike.Bereits in seiner Oper Der Fliegende Holländer ist das Erlösungs-Motiv gegenwärtig. Für die Figur des Holländers verband er Züge des Odysseus mit solchen des Faust, dessen Hochmut dazu führt, sich mit dem Teufel einzulassen. Dem fügte Wagner das antijüdische Ahasver-Motiv hinzu, mit dem die vermeintliche Heimatlosigkeit der Juden erklärt werden sollte. Als Strafe für die Mitleidlosigkeit gegenüber Jesu auf dem Kreuzweg und die Zustimmung zur Kreuzigung sei Ahasver bis zur Wiederkunft Christi zu ewiger Wanderschaft verurteilt worden. Nach Auffassung Dieter Borchmeyers sah Wagner in der Gestalt des unbehausten Mannes, der nicht sterben kann, ein Symbol seiner eigenen Persönlichkeit und seines Künstlertums, das sich stetig wandelte.Während „dem ewigen Juden“ die Todessehnsucht verbleibt, steht Odysseus eine irdische Erlösung offen. Dem Holländer hingegen wird ein Ausweg durch göttliche Gnade und die erlösende Kraft der Liebe ermöglicht, denn alle sieben Jahre darf er an Land und wird erlöst, wenn er eine Frau findet, die ihm bis in den Tod treu bleibt. Zehn Jahre nach der Komposition des Werkes erklärte Wagner, er habe mit der Senta-Ballade „den thematischen Keim zu der Musik der ganzen Oper“ niedergelegt.Für Konzerte in Paris vom Januar und Februar 1860 erweiterte Wagner die Holländer-Ouvertüre um 22 abschließende Takte. Er orientierte sich dabei an der Verklärung im Finale seines Tristan und übertrug dies auch auf das Ende des dritten Aufzugs. Die so dargestellte Erlösung soll das Glück schrankenloser Liebe verewigen. Mit der Harmoniefolge des „Erlösungsmotivs“ fand Wagner ein kompositorisches Grundmuster, mit dem er die Schlusswendungen in den meisten seiner Werke gestaltete. Es handelt sich um einen Plagalschluss von der Moll-Subdominante in die Dur-Tonika in Terzlage. Laut Hermann Danuser kann dieser Akkord als Archetyp dramatisch-musikalischer Erlösung angesehen werden. Am Ende des Holländers mache er die „Verklärung“ geradezu sinnlich erfahrbar.Auch der Tannhäuser kreist um die erlösende Kraft der Liebe, die mit christlichen Vorstellungen verbunden wird. Nachdem der Ritter das Venus-Reich verlassen hat, „ruht“ sein Heil „in Maria“. Diese Marienfrömmigkeit zeigt sich erneut im Gebet Elisabeths aus dem dritten Akt der Oper.Martin Geck spricht vom Motiv der „Erlösung durch den Untergang“, das Wagners Werke bestimmt und sich bereits in dem frühen, handwerklich unausgereiften Leudbald findet, in dem die Liebe tragisch endet und der Held im Schoß Adelaides stirbt. Spiegele die Handlungsebene seiner Werke die Schlechtigkeit der Welt, deute die Musik auf ein sinnlich erfahrbares „Prinzip Hoffnung“: Die Liebespaare Adriano und Irene, Holländer und Senta, Tannhäuser und Elisabeth, Lohengrin und Elsa, Tristan und Isolde, Siegfried und Brünnhilde werden erst im Tod in eine andere Sphäre entrückt und kommen zur Ruhe. Dabei sorgt Wagners psychologische Musik dafür, dass aus dem „entseelten Dahinsinken“ die Versöhnung wird, wie sie sich etwa in Isoldes Liebestod zeigt. =

Gesamtkunstwerk

= Mit dem Konzept des Gesamtkunstwerks zielte Wagner auf die Synthese unterschiedliche Künste wie Musik, Dichtung und Schauspielkunst. Der Begriff selbst geht auf Karl Friedrich Eusebius Trahndorff zurück. Für Wagner war das „Kunstwerk der Zukunft“ nur in der „Genossenschaft aller Künstler“ denkbar. Die einzelnen Kunstgattungen sollten „als Mittel“ gleichsam verbraucht werden, um den „Gesamtzweck“ zu erreichen – „eine unbedingte(n) und unmittelbare(n) Darstellung der vollendeten menschlichen Natur“. In den Musikdramen setzte er seine hohen Forderungen vor allem im Sprach-Musik-Verhältnis um. So verstärkte er die klanglichen Eigenschaften der Rede, indem er bestimmte Vokalfärbungen vornahm und den Stabreim bevorzugte. Mit seiner ausprägten Leitmotivtechnik entfaltet sich ein semantisches Netzwerk, das, vergleichbar mit dem Chor der Tragödie, das jeweilige Geschehen kommentiert, Dramenhandlung und Musik verbindet. =

Mythos

= Im Mittelpunkt der Abhandlung Oper und Drama steht Wagners Theorie des Mythos. Das Modell für das erstrebte Kunstwerk der Zukunft war die griechische Tragödie, die den Inhalt und Geist „des griechischen Mythos“ verwirklicht habe.Nachdem die Aufklärung und die Naturwissenschaften das Mythische schrittweise zurückgedrängt und die Welt entzaubert hatten, entwickelte sich eine rückwärtsgewandte Sehnsucht nach dem Mythos, die exemplarisch in Schillers Gedicht Die Götter Griechenlandes anklingt. Die „neue Mythologie“, die angesichts der Entsinnlichung des Religiösen im Ältesten Systemprogramm des deutschen Idealismus postuliert wurde, findet sich auch in Friedrich Schlegels Rede über die Mythologie (1800). Sie ist synkretistisch und setzt sich aus nordischen, indischen und modernen Elementen zusammen. Wagner bevorzugte hingegen das Wort „Mythos“ und lehnte die überkommene Vorstellung von „Mythologie“ als Lehre von Göttergeschichten mit ihren didaktischen Implikationen ab.Wagner interessierte sich nicht für die historischen Vorlagen der zeitgenössischen Opern, die nur vor dem jeweiligen zeitlichen Hintergrund verstanden werden konnten. Die geschichtlichen Stoffe schienen ihm nicht geeignet, überzeitliche Fragen darzustellen. Der Mythos hingegen brachte Grundkonflikte und allgemeine Widersprüche des Lebens zum Vorschein, erzählte vom „Reinmenschlichen“ und war ein Erklärungsmodell der Wirklichkeit: „Das Unvergleichliche des Mythos ist, daß er jederzeit wahr, und sein Inhalt [...] für alle Zeiten unerschöpflich ist.“ Der Dichter habe nur die Aufgabe, „ihn zu deuten.“ Der so verstandene Mythos hatte für Wagner auch etwas Tröstliches: Er relativierte individuelle Probleme, indem er zeigte, dass es immer schon große Konflikte gab. Aus diesem Grund bediente er sich nach dem Rienzi nicht erneut einer historischen Vorlage. Die Meistersinger gehen zwar auf geschichtliche Vorlagen zurück, spielen aber in einem mythisch verstandenen Nürnberg und umkreisen den Mythos der Kunst. Wagners Theorie ist die ideelle Basis der Ring-Tetralogie und wirkte sich durch die Rezeption bei Nietzsche auch auf die Kunst, Literatur und Philosophie der Jahrhundertwende aus.Nach Wagners Auffassung entsprangen die anschaulichen Geschichten von Göttern und Heroen, Jenseits, Schöpfung und Weltuntergang der „gemeinsamen Dichtungskraft des Volkes“, das im Mythos zum Schöpfer der Kunst wurde. Die dichterische Kraft sei darauf gerichtet, den Zusammenhang der Welt der Erscheinungen „in gedrängter Gestalt“ zu versinnbildlichen.In seiner Schrift Die Wibelungen. Weltgeschichte aus der Sage bestimmte er den Mythos, der romantischen Tradition folgend, als Inbegriff der „Volksanschauung“ und postulierte ein „Urkönigtum“. Ausgehend von Karl Wilhelm Göttlings Nibelungen und Ghibellinen und Franz Joseph Mones Untersuchungen zur Geschichte der teutschen Heldensage entwickelte er die (heute widerlegte) Theorie, die Nibelungen seien mit dem Königsgeschlecht der Wibelungen (Ghibellinen) identisch. Laut Dieter Borchmeyer ging es Wagner nicht um einen wissenschaftlich-sprachgeschichtlichen Zusammenhang; auf den Spuren Herders habe er vielmehr eine alternative Geschichtsschreibung gesucht, die sich nicht an der üblichen „Herren- und Fürstengeschichte“, sondern an der „Volksgeschichte“ orientierte.Der Mythos bestand für Wagner aus einem narrativen Kern mit identischen Elementen, um den sich neue Ausdeutungen legen wie Jahresringe um den Mittelpunkt eines Baumes. Die Geschichte wird ausgeschmückt und erhält abweichende Perspektiven, was sich an Wotans Erzählung im Ring des Nibelungen zeigt, die mehrfach variiert wird. Der mythische Stoff konnte abgewandelt und auf diese Weise in die Gegenwart übertragen werden, um der Nachwelt etwas Allgemeingültiges zu präsentieren. Wie Udo Bermbach ausführt, entwickelte sich so auch ein Mythos der deutschen Musik, der sich im 19. Jahrhundert auf unterschiedliche Entwicklungen wie die Verbreitung des Klaviers in bürgerlichen Wohnstuben stützen konnte.Der Ethnologe Claude Lévi-Strauss analysierte, wie Wagner mythische Stoffe in seinen Werken verarbeitete und bezeichnete ihn als den „unbestreitbaren Vater der strukturellen Analyse von Mythen.“ In den mythischen Erzählungen unterschiedlicher Kulturen sah Lévi-Strauss universelle Muster und allgemein vorhandene Strukturen der Weltordnung, ein Konzept, das den Ausgangspunkt des ethnologischen Strukturalismus bildet.Laut Alex Ross führte die Übertragung der Mythen in die Gegenwart fatalerweise dazu, dort auch die dunklen und monströsen Gegner zu vermuten. In den Wibelungen etwa vergleiche Wagner Siegfrieds Tod mit der Kreuzigung Christi. Siegfried sei „ermordet“ worden, „beklagt und gerächt [...] wie wir noch heute an den Juden Christus rächen“.

Persönlichkeit und Einflüsse

Verhältnis zu zeitgenössischen Komponisten

Wagner war schon früh davon überzeugt, ein Genie zu sein und später die musikalische Welt zu beherrschen. Als 23-Jähriger sprach er hochmütig über die darniederliegenden „jetzigen Binnen-Componisten“ und prophezeite sowohl Giacomo Meyerbeer als auch Robert Schumann, er werde bald „gränzenlos berühmt“ werden. Sein Überlegenheitsgefühl führte dazu, dass er sich kaum für zeitgenössische Komponisten interessierte und „nur von den Toten Gutes“ reden konnte. Dies spiegelt sich auch in seiner Büchersammlung und Korrespondenz wider: Unter den etwa 2.500 Bänden der „Wahnfried-Bibliothek“ befinden sich nur etwa 50 Werke zeitgenössischer Komponisten. Damit vergleichbar richten sich von den rund 9.000 erhaltenen Briefen nur 545 an Adressaten, die man im weiten Sinne als Komponisten bezeichnen kann.Wagner sah sich als Nachfolger Beethovens und Kulminationspunkt der Musikgeschichte und inszenierte sich als Erlöser von der trostlosen Gegenwart. Er verstand das Musikdrama geschichtsphilosophisch als Telos der Musikentwicklung schlechthin.Wenn er Zeitgenossen wie Spohr und Bellini, Rossini und Marschner unter einem bestimmten Aspekt lobte, konnte er sie aus einer anderen Perspektive wieder pauschal verdammen. So bezeichnete er Marschner als „hochbegabten deutschen“ Musiker, bewertete nach einer Aufführung des Vampyr die Musik aber als „rasend-dumm und geschmacklos“. Jüngere Komponisten wie etwa Charles Gounod und Georges Bizet oder solche, die ihm ästhetisch nahestanden, wie Joachim Raff oder Peter Cornelius, nahm er nicht ernst. Gegenüber Anton Bruckner, der ihn sehr verehrte, blieb er indifferent, indem er zwar die Widmung für dessen dritte Sinfonie akzeptierte, sich ansonsten aber wenig für den österreichischen Komponisten interessierte.Bereits in jungen Jahren war er von der Idee beherrscht, Musik und Drama zu verknüpfen (Das Kunstwerk der Zukunft, Oper und Drama), in Anlehnung an die Tradition der griechischen Tragödien eine neue Kunstrichtung zu begründen und die aus seiner Sicht dekadenten Theater zu reformieren. In seinen Schriften beschrieb er, wie mittels Musik dramatische Handlungen zu „Botschaften“ werden können und die Musik (das weiblich „gebärende Element“) der Dichtung (der männlich „zeugende Samen“) zusätzliche Ausdruckskraft verleiht. In seiner umfangreichen Zürcher Kunstschrift Oper und Drama zeichnete er die Entwicklung der Oper als Verfallsgeschichte. Die Gattung Oper sei daran gescheitert, über absolute Musik das eigentliche Drama verwirklichen zu wollen. Die Musik als „Mittel des Ausdrucks“ sei hierbei zum Zweck, das Drama als „Zweck des Ausdrucks“ hingegen zum Mittel gemacht worden. Wagner wollte die Relation umkehren, die Musik aber nicht der Sprache unterordnen, sondern beide in den Dienst des Dramas stellen. Den (empathischen) Begriff des Dramas entwickelte er über eine Demontage des modernen „Literaturdramas“, als dessen Quellen er die antike Tragödie und die Kunstform des Romans ansah. Um das eigentliche Ziel zu erreichen, die Darstellung des Menschen, griff er auf die Anthropologie Ludwig Feuerbachs zurück, den er neben Schopenhauer sehr schätzte.

Arthur Schopenhauer

Wie kein anderer Denker beeinflusste Arthur Schopenhauer die bedeutenden späteren Werke Wagners. Das gilt nicht nur für den Tristan, sondern auch für die Meistersinger und das Spätwerk Parsifal. Darüber hinaus zeigen sich Spuren der Schopenhauer-Lektüre in den nach 1854 entstandenen Schriften. Vor dem Hintergrund des immerwährenden irdischen Leidens hat die Kunst – vor allem die Musik – in Schopenhauers Philosophie eine überragende Bedeutung und bildet ein Quietiv des rastlosen Willens. Für Schopenhauer war die Musik die höchste aller Künste, zeigte sie doch den Willen selbst als Ding an sich.Wie Schopenhauer ordnete Wagner dem Willen nur die Musik zu, die auf diese Weise eine überlegene Position innerhalb der Künste erhält und zum Kern des Dramas wird. Wagner erschienen die zentralen Thesen aus Oper und Drama - die Abhängigkeit der Musik von der Sprache sowie die Mittel-Zweck-Relation von Musik und Drama - nun problematisch, da die Musik im Lichte Schopenhauers eine höhere metaphysische Würde hatte als die anderen Künste, die an die Welt der Erscheinungen gebunden waren. Schopenhauer hatte Wagner über François
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